OLDIES
von Franz
Schöler
Franz Schöler ist seit über 40
Jahren aufmerksamer Beob-
achter der Musikszene. In
STEREO kommentiert er neu
erschienene Aufnahmen der
Rock- und Popgeschichte.
Guy Clark
AN AMERICAN DREAM:
4 CLASSIC ALBUMS, 1978-1992
Raven 2 CDs______________________(133')
REPERTOIREWERT
★ ★ ★ ★ ★
ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★ * ★
John Prine
ANGELS FROM MONTGOMERY:
4 ESSENTIAL ALBUMS 1971-1975
Raven 2 CDs______________________(154')
REPERTOIREWERT
★
★
★
★
ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★ ★ ★
Guy Clark betrachtete sich auch
noch als Folkie, als er von RCA zu
W arner Bros. w echselte und m it
Opus
3
zunehm end au f Coun-
try-Kurs einschwenkte. W eil sein
neuer Produzent Rodney Crowell
m it Ehefrau Rosanne Cash damals
in den Bergen bei Los Angeles leb-
te, fanden die Aufnahmen zu „The
South Coast Of Texas“ nicht mehr
in Nashville statt. Das m it Rosan-
ne gesungene D uett „C ryste lle “
gehört zu den H öhepunkten der
Platte. Einen richtigen Hit hatte er
m it „Hom egrown Tomatoes“ vom
nächsten Album „B etter Days“ . Ein
Evergreen seines Repertoires w ur-
de „The Randall Knife“ , eine seiner
besten Townes Van Zandt-Deutun-
gen die von „N o Deal“ . Die vier LPs
fü r W arner Bros, und Asylum
liegen hier erstm als unge-
kürzt original in guten Über-
spielungen auf einer Dop-
pel-CD vor.
Für alle Bewunderer des
großen John Prine legt der
australische Oldies-Spezialist
Raven Records jetzt vier LPs
seiner Atlantic-Ära auf zwei
CDs vor: eine (klangliche) Of-
fenbarung, nicht zuletzt w e-
gen des fabelhaften Remas-
terings. Von Kris Kristofferson
„entdeckt“ , hatte Prine ein so
phänom enales Debüt (ein größe-
res als Dylan, James Taylor und an-
dere berühmte Singer/Songwriter!)
eingespielt, dass er dam it um ge-
hend Kolleginnen wie Bonnie Raitt
und Bette M idler zu superben Co-
verversionen von Songs aus dem-
selben („Angel From M ontgom ery“ ,
„H ello In There“) inspirierte. Jah-
relang blieb er „d e r“ Geheimtipp
für Kenner! Das Frühwerk des M an-
nes, den Dylan neulich rühmte m it
der Behauptung: „P rine’s stu ff is
pure Proustian existentialism . M id-
western mind trips to the nth de-
gree“ , wurde endlich in angemesse-
ner Klangqualität publiziert.
OLDIE DES
MONATS
SUN ZOOM SPARK: 1970 TO 1972
Rhino 4 CDs (auch als LPs erhältlich)
(159’)
REPERTOIREWERT
★
★
★
★
ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★ ★ ★
„Trout M ask Replica“ w ar ein so
viel sperrigeres Album als „Safe
As M ilk“ , dass es die A ttra ktivität
von Captain Beefheart und seiner
Magic Band als live zu buchendes
Ensemble kaum förderte. Was ihn
nicht daran hinderte, m it der Arbeit
zum Folge-Album „L ick My Decals
Off, Baby“ kom prom isslos an die-
se Doppel-LP anzuknüpfen.
Der Titelsong begann m it den
Versen „R ather than I w ant to hold
your hand/I wanna sw allow you
w h o le /‘n I wanna lick you every-
w here
it ’s
p in k /‘n
e ve ry-
where you th in k “ - der Captain
ein Erotomane wie der M ick Jag-
ger des „S tray Cat Blues“ . Bei den
Aufnahmen kam er gelegentlich auf
Blues-Them en seiner An-
fänge zurück. „G row Fins“
zelebrierte Captain Beefhe-
art alias Don Van Vliet
als Rückkehr zum Delta
Blues und erzählte - ins-
piriert von Howlin’ Wolfs
,Tail Dragger“ - eine ins
M ä r-ch e n h a fte tendierende Ge-
schichte vom betrogenen Liebha-
ber, der seiner Angebeteten droht,
sie zu verlassen und sich Flossen
wachsen zu lassen, um den Bund
m it einer M eerjungfrau zu schlie-
ßen. Den Delta Blues-Altvorderen
waren in solchen Fällen entschie-
den mörderischere Lösungen ein-
gefallen! Jedenfalls nicht so ver-
söhnliche wie dem Captain da-
mals im gleichnam igen „ I’m Gon-
na Booglarize You Baby“ .
Ob der bewusst ein wenig ein-
gängigeren Songs vom Album „The
Spotlight Kid“ murrte sein Gitarrist,
der sich unterfordert fühlte. In ein
paar Songs erblickte man bei der
A&R-Abteilung der Firma allen Erns-
tes so viel Hit-Potenzial, dass man
ihm Trips nach Europa finanzier-
te, wo die Band, in England ohne-
hin w eit populärer als daheim, da-
mals unter anderem im Bremer „B e-
at-Club“ auftrat. Bei „B ig Eyed Be-
ans From Venus“ dem Blues-M eis-
terstück auf „C lear S pot“ , glänz-
te G itarrist B ill Harkleroad alias
Zoot Horn Rollo an der Slide-Gitar-
re in grandioser Über-Form. Als die
Coen-Brüder
19 9 8
einen Song von
„Clear Spot“ („Her Eyes Are A Blue
M illion M iles“) fü r den Soundtrack
von „The Big Lebowski“ nutzten,
hatte der gute Captain sich schon
lange als M usiker verabschiedet.
Vorliegendes Set m it den drei
LPs der Reprise-Ära bietet - ne-
ben besserer Ü berspielqualität als
die ewig gestrichene Rhino-Antho-
logie „The Dust Blows Forward“ -
ein gutes Dutzend A lternativ-M i-
xes, Demos und Session-Outtakes,
die teils erst Jahre später auf „S h i-
ny Beast (Bat Chain Puller)“ auf-
tauchten. Viele von denen wurden
offenbar für dieses Projekt neu ab-
gemischt, so dass sie jetzt m indes-
tens so gut klingen wie die seiner-
zeit für die LPs freigegebenen Fi-
nal-Versionen.
Diverse Musiker
TRUCKERS, KICKERS, COWBOY
ANGELS - THE BLISSED-OUT
BIRTH OF COUNTRY ROCK
VOL. 1: 1966-1968
Bear Family 2 CDs (116’)
REPERTOIREWERT
★
★
★
★
THE BLISSED-OUT BIRTH OF
Jg g S
COUNTRY ROCK VOL. 2:1969
U Q fl
Bear Family CD (72’j_______________
REPERTOIREWERT
ÜBERSPIELQUALITÄT(alle) ★
★
★
★
★
Zu kom merziellem Erfolg brachten
es Anfang der
7
oer-Jahre die M ar-
shall Tucker Band, Poco und die
frühen Eagles. Die beste von allen
Country-Rocker-Bands - die Flying
Burrito Brothers - hatten da ihre
größte Zeit schon hinter sich. Co-
lin Escott erzählt in diesen beiden
Sets die Entwicklung der Gattung
von den Anfängen bis zur ersten
Hochblüte. Als w ichtige „G eburts-
helfer“ tauchen auf: John Sebastian
von „N ashville Cats“ , Richie Furay
m it Songs fü r Buffalo Springfield,
der Gram Parsons der Internatio-
nal Subm arine Band-Anfänge und
die üblichen Verdächtigen wie Ge-
ne Clark, die Dillards, Bob Dylan
und die Byrds.
Nach deren LPs „Sw eetheart Of
The Rodeo“ und „Nashville Skyline“
w ar Country nicht mehr pauschal
als
illib e ra le
H inte rw ä ld le rm u -
sik verpönt. Gram Parsons konnte
Keith Richards
m it seiner Be-
geisterung so
gründlich
in -
fizieren, dass
der auf einmal
m it
seinem
Kumpel Songs
wie „W ild Horses“ schrieb. Die Ever-
ly Brothers m usste niem and m it
Gewalt überzeugen, große Jimmie
Rodgers-Songs aufzunehmen. Das
w ar dann aber schon w ieder eher
lupenreine Country Music wie das
19 7 1
veröffentlichte „Elvis Country
(I’m
10 .000
Years O ld)“ .
Etwas abenteuerlich m utet hier
teilweise die Auswahl von Interpre-
ten und Bands an, die man kaum je
richtig m it Country Rock identifizie-
ren würde, etwa The Band, Townes
Van Zandt, Bobbie Gentry oder das
Sir Douglas Quintet. Und einer der
fabelhaftesten Songs überhaupt
fehlt, nämlich das von Ben Sidran
und Steve M ille r fü r die „N um ber
Five“ -LP der Steve M iller Band kom-
ponierte „G oing To The Country“ :
eine überm ütige Ode an die neue
Landlust!
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problematisch I ★ schlecht
STEREO 3/2015 127